Brand-Stiftung

“Dat do ick ok nich wedder”

 

"Speeldeel" brachte die Komödie "Brand-Stiftung" - 20jähriges Bühnenjubiläum von Annemarie Dienesen und W. Jungjohann

 

 

"Dat do ick ok nich wedder" - das waren die letzten Worte, die Pastor Brand (Werner Jungjohann) am Sonntag abend auf der Bühne sprach. Es war ein Versprechen an "sin gode Fründ“, den lieben Gott; aber eins "deiht he bestimmt wedder“: er steht wieder auf der Bühne und bringt den Menschen Freude. Nicht weniger gilt das für Annemarie Dienesen, die ebenfalls seit 20 Jahren auf der Plattdeutschen Bühne steht und unzählige Male bewiesen hat, daß die plattdeutsche Sprache lebt und ihre Berechtigung auf dem Theater hat. Im Anschluß an die Aufführung wurde den beiden Jubilaren, die weit über Schleswigs Grenzen hinaus bekannt sind, ein Meer von Blumen überreicht. Und die Wünsche gipfelten in der Hoffnung, sie möchten noch weitere 20 Jahre gemeinsam Theater spielen - für die Freunde der plattdeutschen Sprache, für das Publikum der "Schleswiger Speeldeel“. Die Rolle des Pastors Brand und der Fru Facklamm schien den beiden Darstellern auf den Leib geschrieben zu sein, und man kann verstehen, daß ihnen mit diesem Stück, dem letzten dieser Saison, ein langgehegter Wunsch in Erfüllung ging. Besonders Annemarie Dienesen, die Heidi Kabel von Schleswig, lebt so vollkommen in ihrer Rolle der neugierigen, raffgierigen und doch im Grunde herzensguten Frau Facklamm, daß man ihr jedes Wort, jede Bewegung und auch die Umkehr von der vorgegebenen Brandstifterin zur reuigen Sünderin abnahm. Der Szenenapplaus und die Lacher waren so zahlreich, daß manche Pointe unterging. Aber das Spiel von Frau Dienesen ist so überzeugend und eindringlich, daß es keiner klärenden Worte bedarf. Genauso ist es bei Werner Jungjohann, dem anderen Jubilar. Er stellt einen Pastor Brand auf die Bühne, der sich wohltuend von anderen Darstellungen kirchlicher Vertreter abhebt. Die Weisheit des Alters verbindet sich mit einer großen Menschenkenntnis, das Einfühlungsvermögen mit einer gehörigen Portion Raffinesse. Und bei ihm kann man verstehen, daß „sin gode Fründ“ auf seiner Seite steht, wenn er ihm auch durch Donnergrollen klarmacht, daß diese „Brand-Stiftung“ die einzige bleiben muß!

Bewährte Kräfte standen den beiden zur Seite, die sich ständiger Sympathie dadurch erfreuen, daß sie nie versuchen, andere vielleicht weniger versierte Darsteller an die Wand zu spielen“. Zum Beispiel gab Waltraud Evers eine großartige Hushöllersch Meta, die ihrem Pastor wacker zur Seite stand und auch schon eine ganze Menge von ihm gelernt hatte, was z. B. das Ausfüllen von Spendenlisten betraf. Peter Balzer spielte den Sohn der Frau Facklamm, der zwar an der Brandstiftung, aber sonst nicht ganz unschuldig war. Mit Klarheit brachte auch er die Umkehr vom Verdächtigten zum Unschuldigen und dann doch glücklichen Bräutigam. Börgermeister Ahrens wurde von Volker Schwarz dargestellt, der auch bereits viel Bühnenerfahrung mit sich bringt. Er überzeugte das Publikum als treusorgender, aber nicht ganz uneigennütziger Gemeinde-Vater. Hauke Stieger brachte einen echten italienischen Gastarbeiter auf die Bühne, der die R's rrrollte und sich viel Beifall holte.

Erfreulich, daß gleich auf einmal vier neue Gesichter auf der Bühne zu sehen waren. Erfreulich deshalb, weil „Speeldeel“ damit immer wieder den eigenen Bestand auffrischt und neue Akzente setzen kann. Karl Walters Koopmann Dreyer hatte bereits Format, Jutta Jürgensen als seine Tochter Lieschen wird sich bald ihre verständliche Befangenheit abspielen, Klaus Woldt als Börgermeister Tiedke konnte es auf Anhieb mit den „alten Hasen“ aufnehmen - er müßte noch etwa für seine Sprechkultur tun - und Peter Neumanns Brandinspektor Meinke wurde von Szene zu Szene aufgelockerter und lebendiger. Alle vier werden - hoffentlich noch lange - in Annemarie Dienesen eine kritische, aber immer aufbauende und helfende Regisseurin haben.

Das Spiel hatte Niveau und Tempo; gelegentliche Längen im Text, die trotz der Neubearbeitung durch den Autor Günther Siegmund, den Leiter des Hamburger Ohnsorg-Theaters, geblieben waren, wurden flott überspielt, und das Publikum ging begeistert mit. Nicht nur die Jubilare, auch die anderen Darsteller bekamen Blumen, und es gab viele Vorhänge. Man kann sich schon auf die nächste Spielzeit freuen.

Reimer Pohl

Schleswiger Nachrichten, 11.3.1975

Werner Jungjohann in der Bombenrolle

Bühnenjubiläum  mit Siegmunds „Brand-Stiftung“

 

Schleswig.  Die „Brand-Stiftung” von Günther Siegmund stellt in den Mittelpunkt die liebenswerte Figur des Pastor Brand. Sie ist so recht dazu angetan, den Darsteller dieser Bombenrolle, Werner Jungjohann, zu sein Bühnenjubiläum herauszustellen. Nicht minder anspruchsvoll war die Rolle der Frau Facklam, die Annemarie Dienesen auf den Leib geschrieben ist. Einige Längen im ersten Akt schmälerten nicht die durchschlagende Wirkung dieser Komödie, mit der die „Schleswiger Speeldeel“ die Spielzeit beendete.

In dem Geschehen um eine mysteriöse doppelte Brandstiftung in dem durch das Dasein vieler Gastarbeiter schon aus seiner Ruhe gestörte Dorf Lünkenhagen steht der beliebte Pastor Brand mit seiner steten Verbindung „nach oben”, seiner Vorsorge für alle Dörfler, die auf der Schattenseite des Lebens stehen und mit sei nem Mutterwitz. Werner Jungjohann zog alle Register seines schauspielerischen Könnens, es war eine köstliche Charakterstudie. Neben ihm als staubwischende und pieksaubere Köksch Meta (Waltraud Evers) und Volker Schwarz als gewissenhafter Bürgermeister Ahrens. Zu bewähren hatte sich als Bürgermeister der Nachbargemeinde Klaus Woldt. Er machte seine Sache gut und war im Ensemble keineswegs ein „neuer”. Ebenfalls neu auf den Brettern war Karl Walter als Kaufmann mit seiner reizenden Tochter Lieschen (Jutta Jürgensen). Mit „Gracia“ und „arevederci” gab Hauke Stieger einen Gastarbeiter, der in seinem Gegensatz zu den „Dorfeingeborenen” deutlich aufzeigte, wie „man” über die „Itakas” denkt. Peter Neumann wirkte in seiner Rolle als Brandinspektor etwas unglücklich. Er kam in seiner Mission nicht so recht zum Zug. Was Annemarie Dienesen aus der Rolle der unablässig „sabbelnden” armen kleinen Witwe, die im Dorf auf der Schattenseite steht, machte, war großartig. Daß ihr Sohn (Jan Balzer) ihr oft einen Strich durch die Rechnung machte, versteht sich, aber daß zum Schluß doch alles zu ei nem guten Ende kam, sicherte dem Stück einen langen Beifall und Blumensträuße, nicht nur als Dank, sondern auch als Bestätigung der Schleswiger, daß „plattdütsch leevt”.

E. Kollmann
Schleswig-Holsteinische Landeszeitung