Mudder steiht ehrn Mann

„Hoot af vör Adelheid!”

“Mudder steiht ehr'n Mann" bei der Schleswiger Speeldeel — Bühnenjubiläum von Annemarie Dienesen und Werner Jungjohann

 

„Wi   kennt   uns   al   siet   fiefuntwintig Johrn", sagte Adelheid Ekendorf alias Annemarie Dienesen über ihren Albert (Werner  Jungjohann), und der feine Unterton war dabei nicht zu überhören: Seit 25 Jahren stehen beide auf der Plattdeutschen Bühne und haben unzählige Male das Publikum erfreut oder nachdenklich gemacht:. Das ist Grund genug, die beiden zu feiern, ihnen vor allem einen herzlichen Dank zu sagen — nicht nur für die Mühe und Arbeit, die sie in die Schauspielarbeit gesteckt haben, sondern vielmehr für die Bereitschaft, immer wieder zu Menschen zu sprechen, ihnen den Spiegel vors Gesicht zu halten, sie zum Lachen zu bringen, ihnen vergnügte Stunden zu bereiten, sie aber auch, zu Betroffenheit und Nachdenklichkeit zu bringen. Dieser Dank vieler äußerte sich, in dem Empfang, den. die 'Speeldeel' im Anschluß an die Premiere für die beiden Jubilare im Theater gab.

Die Komödie „Mudder steiht ehr'n Mann" von Robert Eildermann hatten sich. Frau Dienesen und Herr Jungjohann selbst als Jubiläumsstück ausgesucht. Sie hatten; es vor vielen Jahren schon einmal gespielt, und,sie taten recht daran, es jetzt wieder hervorzuholen. Bei allen Schwächen, die der Text hat, ist es nämlich hochaktuell: es .behandelt den Generationskonflikt, besser die jugendliche Unvernunft, die die tägliche Hausarbeit der Mutter für selbstverständlich hält und höchst erstaunt ist, wenn sie mal nicht geschieht. Es ist ein pädagogisches Stück in guter Form: der erhobene Zeigefinger kommt nicht in theoretischen Erörterungen zum Ausdruck, sondern in ganz praktischen Situationen des Alltags. Und der. Lernprozess, den die drei erwachsenen Söhne durchmachen, geschieht umso nachhaltiger, «je mehr sie selbst in ihren täglichen Gewohnheiten davon betroffen werden

Regie führte Annemarie Dienesen selber — zum 60. Male! Sie ließ mit Witz und Tempo spielen, flott und mit Ausnutzung der Situationskomik, zu der der Text genügend Anlässe bot. Schade,' daß die — nicht vorgesehenen — Scherben und Kartoffeln auf dem Fußboden nicht ins Spiel mit einbezogen wurden! Die Spieler sollten sich allerdings vor dem Klamauk hüten. Bei der Aufräumszene war die Grenze schon fast überschritten.

Adelheid Ekendorf, die alleinstehende Frau, die mit viel Mühe und Einsatzkraft drei Söhne großgezogen hat, spielt Annemarie Dienesen. überzeugend wie eh und je, schlagfertig; witzig und lebensprall, aber auch echt in ihren Verzweiflungsausbrüchen und dein Klammern an den letzten Strohhalm. Man glaubt ihr, daß sie bereit war, auf eigenes Glück zu verzichten — für ihre Jungen. Eine großartige Leistung, die eine Bühnenlaufbahn krönen (aber hoffentlich nicht beenden) kann. Merkwürdig blaß dagegen ihr Partner und späterer Verlobter Albert Krull, von Werner Junjohann dargestellt. Daß er den etwas dümmlichen pensionierten Beamten geben sollte, lag am Text, aber man hätte aus der Rolle wesentlich mehr machen können. Da ist ganz gegenteilig Ludwig Wulff- zu nennen, der dem schwerhörigen Opa Leben und Ausdruck gab. Er war der betrachtende Lebensphilosoph, der die Probleme genau erkannte. Daß er selbst nichts dagegen tat, lag an seiner menschlichen Schwäche (af un an mol 'n Buddel Beer!") List, Verschlagenheit und Witz kamen hier gleichermaßen zur Geltung.

Erika Larssen hatte mit der aufdringlichen, aber gutmütigen Nachbarin Lene Pott mal wieder.eine Bombenrolle. Sobald sie die Bühne betrat, herrschte. Lachen und Stimmung, und ihr langatmiges Geschwtätz wirkte so echt und überzeugend, daß man in ihr fast eine zweite Hauptrolle sehen konnte. 

Die drei Söhne waren in ihren unterschiedlichen Charakteren treffend gezeichnet. Ole (Kuno Rohr), der Probleme mit dem Alkohol hat, spielt seine Rolle überzeugend. Nur im zweiten Akt überzog er: wer äußerlich so betrunken ist, kann keine so logischen Gedanken haben. Karl-Friedrich Faßmer gab den Malte, den verkannten Dichter, der in einer anderen Welt lebt und auch dahin auswandern will. Bei weiterer Bühnenerfahrung ist hier noch mehr zu erwarten. Kalli Walter war der Mittlere der drei, Jens, der sein Mädchen nicht gerade fair behandelt. Er spielte gut, vor allem macht er den Konflikt deutlich: er scheut eine feste Bindung, weil er noch an Mutters Rockzipfel hängt, liebt aber sein Mädchen Elke (Dörte Brügmann) wirklich. Diese junge, attraktive Schauspielerin machte das Beste aus ihrer kleinen Rolle; auch hier sind weitere Aufgaben und damit mehr Erfahrungen zu erwarten.

Eine sichere Toseggersch war Heike Walter; Technik und Bühnenbild lägen bei Konrad, Hansen in besten Händen. Begrüßt wurde das Publikum, das das Theater bis auf den letzten Platz füllte — mancher mußte mit langem Gesicht und ohne Karte wieder nach Hause gehen — in herzlicher Form von Uwe Petersen. Viele Blumen und langanhaltender Beifall, der besonders Annemarie Dienesen und Werner Jungjohann galt, krönte diesen besonderen  Abend.

 

Reimer Pohl

Schleswiger Nachrichten, 4.3.1979