Ümmer to Deensten

„Ümmer to Deensten“ – ein Erfolg

Goldoni auf Plattdeutsch
Ein gelungener Versuch der „Speeldeel“

 

Es scheint „in“ zu sein, alte Zeiten auf Plattdeutsch darzustellen. Nachdem vor einiger Zeit die Ohnsorger mit "Hamburger Bier" eine Episode aus dem vorigen Jahrhundert auf die Bühne gebracht hatten, griff nun die "Schleswiger Speeldeel" noch weiter zurück und stellt mit "Ümmer to Deensten" die Komödie von Carlo Goldoni "Diener zweier Herren" auf die Bretter, die angeblich. die Welt bedeuten. Es war ein Wagnis, ein Versuch –und er kann als gelungen. bezeichnet werden. Daran haben vor allem Uwe Petersen und Jens Larssen ihren uneingeschränkten Anteil.

Werner Junggjohann begrüßte die Zuschauer, die das Haus bis auf den letzten Platz füllten. Er machte selbst auf die erstaunten Gefühle aufmerksam, die man bei “Goldoni op Platt" haben kann. Aber wie es im Programm hieß: "eerstmol ankieken“. Und es hat sich gelohnt!

Das Stück, das von Prof. Hermann Kölln auf Plattdeutsch übersetzt worden war, wurde von Helmut Utermann und Otto Hartrich für die Speeldeel eingerichtet. Ein schlichtes, ansprechendes Bühnenbild ließ sich leicht (und schnell) umbauen; Heike Walter hatte "Haar un Snutenwark" zurechtgemacht, die Technik stammte von Konrad Hansen, und Toseggersch war Doris Böck.

Regie führte Hauke Stieger; er ließ flott und nahtlos; spie1en - daß man im ersten Bild noch nicht so recht zum Tempo kam, sondern mehr statuarisch agierte, lag sicherlich am verständ1ichen Lampenfieber. Dann aber hatten alle Schauspieler den "Dreh“ gefunden, und auch zum Publikum sprang der Funke über. Das ist vor allem Jens Larssen zu danken, der den "Diener zweier Herren" Jan Driest großartig und unnachahmlich spielte. Seine Szene mit dem Wirt, die mit dem zuzuklebenden Brief, die mit den Koffern - köstlich. Er machte verständlich, wie er sich stets aus der Affäre zu ziehen weiß, und sein eigenes Wort "Een de nich lesen kann, kann ok nich leegen" führt er selber gründlich ad absurdum. Eine vorzügliche Leistung!

Eigentlich war es erstaunlich, wie leicht sich die venezianischen Charaktere nach Hamburg verlegen ließen, so z. B. den bullerigen, egoistischen, geizigen Kaufmann, den schlauen Wirt, der allen Seiten gerecht wird, die bedauernswerte Tochter, die bei der Wahl des Bräutigams kaum ein Wörtchen mitzureden hat. Den Kaufmann Korl Nerig spielte Uwe Pertersen völlig natürlich und glaubhaft. Zwischen seinem Geld und dem Glück seiner Tochter hin- und hergerissen, bullert und dröhnt er vor sich hin und hat eigentlich nur da menschlich-mitfühlende Töne, wo er selbst hilflos ist. Uwe Petersen stellte ihn überzeugend auf die Bühne, und oft waren die Lach- und Beifallsalven seinem Konto gutzuschreiben.

Neben diesen beiden herausragenden Rollen hatten die anderen Darsteller es nicht leicht. Sehr gut machte seine Sache als Gasthauswirt Fiete Glei der Neuling Horst Seegebarth. Ton und Geste saßen schon sehr gut, und auch den Wechsel zwischen Ratlosigkeit und glänzendem Einfall machte er ohne Bruch deutlich. Den zunächst betrogenen, dann aber glücklichen Bräutigam Dierk Iever gab Rainer Buck, gelegentlich etwas zu stoisch. Seine Enttäuschung über die nicht zustande gekommene Heirat hätte noch stärker herauskommen können. Aber insgesamt machte auch er seine Sache gut; vor allem war er textsicher, was man nicht von allen anderen sagen kann. Karsten Degern wurde von Christian Thomsen dargestellt, vielleicht ein wenig zu aristokratisch. Er hätte etwas mehr aus sich herauskommen müssen, sowohl bei der Suche nach seiner Braut als auch nach der glücklichen Vereinigung. Aber auch er spricht ein gutes Platt und wußte sich jeder Situation anzupassen.

Von den drei Damen ist als erste Anne Schmidt zu nennen, die die schwere Rolle des Reimer und am Schluß der Anne Helsch mit Leben zu füllen hatte. Sie machte ihre Sache gut, wenn auch nach heutigen Maßstäben niemand ihr den "Reimer" abnehmen würde. Recht gut waren bei ihr die Szenen, in denen sie andere in ihr ,;Geheimnis" einweihte. Karin Jacobsen spielte die Klara Nerig, die unter ihrem Vater ziemlich zu leiden hat, aber trotzdem ihren Kopf durchzusetzen weiß und am Schluß doch Teilhaberin des "Happy End" ist; sie wurde von Bild zu Bild freier und damit besser. Etwas blaß erschien Gudrun Wattenberg als Tine Glei; die Regie hätte ihr helfen müssen, ein wenig mehr aus ihrer Rolle zu machen. Die durchaus vorhandenen Ansätze zum geschmeidigen "Kammerkätzchen" könnten noch ausgebaut werden.

Die Umbaupausen wurden mit passender Barockmusik ausgefüllt. Das Publikum spendete am Schluß begeisterten, langanhaltenden Beifall; es gab Blumen, und alle Beteiligten können. stolz und zufrieden sein. "Goldonli op Platt is noch lang keen platten Goldoni".

Reimer Pohl

Schleswiger Nachrichten 27.1.1981

 

 

Stürmischer Applaus für UwePetersen und Jens Larssen

Gelungene Premiere der Schleswiger Speeldeel

 

Schleswig. Das war eine Premiere! Werner Jungjohann hatte der plattdeutschen Hörergemeinde, die das Stadttheater bis auf den letzten Platz füllte, nicht zuviel versprochen, als er die Premiere “Ümmer to Deensten“ ankündigte als „großes humoriges Erlebnis”.

Wer hätte gedacht, daß die vor 200 Jahren in Venedig angesiedelte Komödie „Diener zweier Herren“ von Goldoni in der von Professor Hermann Kölln plattdeutsch nachempfundenen „Komödi in fief Biller“ wie eine Zwillingsschwester in der Hamburger Welt zu überzeugender Wirkung kam? Freilich trug dazu neben den liebevoll ausgedachten Bühnenbildern die Besetzung der beiden Paraderollen des alten Nerig (Uwe Petersen) und des Dieners Jan Drist (Jens Larssen) -durch zwei „Vollblutschauspieler“ entscheidend bei.

Schon der erste Auftritt Petersens, der sich in den letzten Aufführungen von Rolle zu Rolle steigerte, in Samt und Zipfelmütze war neben Gestik, Mimik und Haltung und nervösem Gehabe, wenn es um Geld ging und darum, seine Tochter an den Mann zu bringen, so komisch und gekonnt, daß es viel Szenenbeifall gab. Und dann erste Jens Larssen! Fast bei jedem Auftritt wurde der Schleswiger Publikumsliebling mit Beifall begrüßt. Wie er, schlagfertig und umwerfend plietsch und gewandt, seine Doppelrolle bei zwei Herren meisterte war eine hervorragende Leistung.

Rainer Buck spielte den „verliebten Studentenkater“ mit viel glaubwürdigem Temperament. Fiete Glei wurde als Gastwirt und Kumpan des durchtriebenen Nerig von Horst Seegebarth lebensnah verkörpert. Christian Thomsen war ein schmucker Bräutigam und energischer Dienstherr, der seinen immer hungrigen „Diener” schön herumjagte. Mit „Haar un Snutenwark“ hatte sich Heike Walter viel Mühe gegeben, so sahen Klara Nerig (Karin Jacobsen) und Tine Glei (Gudrun Wattenberg) als umworbene Tochter und als schmucke Zofe reizend in Kostüm und Maske aus.

Last but not least: Anne Schmidt in der Doppelrolle von Reimer und Anne Helsch. Sie ist ein wahrer Gewinn für die Schleswiger Speeldeel! Mit ausgezeichnetem Platt begabt, stellt sie in Ausdruckskraft und Natürlichkeit die von ihr zu verkörpenden Rollen lebendig und in selbstverständlicher Frische auf die Bühne, daß ihr der Beifall sicher ist.

Der nicht enden wollende Applaus galt aber diesmal nicht nur den Darstellern, sondern auch der umsichtigen und bis auf einige Längen im Anfang stets antreibenden und gestaltenden Regie Hauke Stiegers. Unterstützt wurde er durch die Technik Konrad Hansens, Helmut Utermanns und Otto Hartrichs. Die wichtige Rolle der „Toseggersch“ spielte Doris Böck. Die Pausen wurden im Geschmack der Zeit mit der Wiedergabe eines Concerto grosso sinnvoll überbrückt.

Die Speeldeel hat mit diesem Beginn des Theaterwinters 1981 einen großen Schritt vorangetan!

Elfriede Kollmann
Schleswig-Holsteinische Landeszeitung