Kramer Kray

Bombenstimmung bei der

Schleswiger Speeldeel-Premiere „Kramer Kray“

Dritte Premiere in dieser Spielzeit: Ein voller Erfolg

 

 

0 selige Zeiten, da sich ein verwitweter Einzelhandelskaufmann eine Haushälterin, eine Putzfrau und einen Hausknecht halten konnte! Aber zu Beginn dieses Jahrhunderts muß das in Hamburg wohl möglich gewesen sein, jedenfalls behauptet das Hermann Boßdorf in seiner Komödie "Kramer Kray", mit der die Schleswiger Speeldeel am Sonntag im Stadttheater herauskam; es war ihre dritte Premiere in dieser Spielzeit, und es war ein voller Erfolg! Das Haus war fast ausverkauft, die Stimmung war gut, der Funke sprang sofort über, bewährte und junge Schauspieler ergänzten sich nahtlos - was will man mehr!

Die "Schwankhaft Komeedi in fief Törns" ist gut gebaut, wenn auch die Handlung fast ein wenig zu dünn ist, um auf 5 Akte verteilt zu werden; sie könnte auf die klassische Dreizahl reduziert werden. Aber der Text macht das reichlich wieder wett: Dialoge schreiben kann Hermann Boßdorf! Da hat jeder Satz seinen Höhepunkt, da sitzt jede Pointe, da sprüht ein Feuerwerk von Heiterkeit auf die Zuhörer, daß man seine helle Freude daran hat!

Natürlich kommt es auch auf die Schauspieler an, und alle sechs machten ihre Sache so ausgezeichnet, daß man nicht weiß, wem die Ehrenpalme zu überreichen. ist. Werner Jungjohann spielt die Titelfigur Kramer Kray, den verwitweten Kaufmann, der seine Freiheit genießen will, aber im Grunde seines Herzens doch einen friedlichen Ehestand herbeisehnt und bekommt! Großartig, wie er, schon mit Miene und Gebärde, den jeweiligen Seelen- und Körperzustand ausdrücken kann. Sprache und Gestik sind überzeugend, das Spiel wirkt echt. Zwerchfellerschütternd war die nächtliche Szene: Kramer Kray im Nachthemd mit Zipfelmütze und Leuchter - es fehlte nur noch die Rolle, und er hätte die klassische Reklame für ein Abführmittel abgegeben.

Seinen Freund Asmus Broihaan spielte Horst Seegebarth, der zunächst für seine Riesenrolle ein Lob bekommen muß. Aber auch sein Spiel, seine "Sabbel-Maschin", seine Darstellungsweise konnten nicht besser sein. Sein Nachtgespenst war ebenso köstlich wie seine Versuche, den verschiedenen Frauen zu gefallen. Er hat seinen "Typ" bestens dargeboten. Der dritte der Herren war Kalli Walter, der den Hausknecht Hein Kohrs auf die Beine stellte. Een echten dröögen Jung, so spielte er diese Bombenrolle - bei ihm saßen die Pointen fast am besten; er hatte zu allem und jedem den treffenden Kommentar. Sein ausgezeichnetes Platt und seine tragende Stimme waren eine Freude für jeden Theaterfreund.

Auch bei den Frauenrollen kann man eigentlich nur Lob verteilen, ob es die routinierte Annemarie Dienesen oder der Neuling Birte Nissen ist. Frau Dienesen, die auch Regie führte, spielte die Schüürfru Piper, eine umwerfend komische Studie. Zwar ist bei ihrem Redeschwall nicht alles zu verstehen, aber sie wirkt so echt, so lustig, daß man ihr nur gratulieren kann. Zu bewundern ist ihre Wandlungsfähigkeit, und die Kunststücke mit dem Feudel waren eine geradezu artistische Leistung. Hut ab vor der Darbietung! Ganz anders, aber genauso gut, spielte Olly Gröning die Huushöllersch Mile Haak, die ihren Karsten doch zum Schluß kriegt. Da waren Töne von Herzlichkeit, Gefühl, Innerlichkeit zu spüren, ohne daß es Gefühlsduselei wurde, sie hatte ihr Herz - und ihr Mundwerk  - auf dem rechten Fleck. Birte Nissen spielte die Deele Rüüsch ut´n Lieschengang auf St.. Pauli, eine Kaffeemietje mit einer köstlichen Mischung aus Raffinesse, Dummheit und Sex. Die etwas undankbare Rolle bewältigte sie ohne Schwierigkeiten.

Begrüßt hatte die Zuschauer Horst Jacobs, wobei er eine Lanze für die plattdeutsche Sprache brach. Helmut Utermann und Otto Hartrich hatten ein hübsches, typisches Bühnenbild geschaffen. Heike Walter hatte die Masken und Frisuren besorgt und war auch eine zuverlässige Souffleuse, und Hans-Joachim Boldt sowie Konrad Hansen waren für die Technik verantwortlich, so daß alles bestens klappte. Ein rundherum köstlicher Abend, der mit Blumen und reichem Beifall belohnt wurde.

 

Reimer Pohl

Schleswiger Nachrichten, 15.2.1983

 

 

Beifall für "Schüerfru Pipersch" und Mitspieler

Dritte Premiere der Schleswiger Speeldeel

 

Schleswig. Wohl kaum jemals war der Fußboden der Schleswiger Bühne so sauber wie nach dem eindrucksvollen Auftritt von Annemarie Dienesen, die in der dritten Speeldeel-Premiere dieses Winters, der schwankhaften Komödie "Kramer Krey" von Hermann Boßdorf, nicht nur Regie führte, sondern auch die Rolle der Schüerfru Pipersch spielte. Das "saß" alles an Mimik und Gestik, nur eins: Ein wenig mehr Deutlichkeit in der Sprache würde den Gesamteindruck noch positiver machen.

Kaum etwas stand ihr Werner Jungjohann als Karsten Krey nach in seiner bekannten Publikumswirksamkeit. Wie er den verwitweten Krämer darstellt, der auf St. Pauli die attraktive Deele Rüsch (Birte Nissen) kennenlernte, die umwerfend eine kostümierte Reeperbahndame darstellte, begeisterte das Publikum, das das Stadttheater bis auf den letzten Platz füllte.

Die Hushöllersch Mile  Haak (Olly Gröning), dieser "Honigpott von Wief", verstand es jedoch meisterlich, mit Güte und weiblicher Schläue den Krämer von den Vorzügen eines gutbürgerlichen Lebens zu überzeugen und so kam es nach fünf langen Akten (natürlich) zu einem Happy-End.

Horst Seegebarth als Kaffeemakler Broihaan und Freund des Krämers Krey erhielt viel Szenenapplaus, besonders für die Verkörperung des "Nachtgespenstes". Kalli Walter als Huusknecht Hein Kohrs war immer dann zur Stelle, wenn es galt, einen ungebetenen Gast hinauszuschmeißen. Das alles spielte sich in einem liebevoll eingerichteten Bühnenbild ab, für das Hans-Joachim Boldt und Konrad Hansen verantwortlich waren. Beachtlich das "Hoor- un Snutenwark" von Heike Walter, die auch noch die nicht immer einfache Rolle der "Toseggersch" inne hatte. Helmut Utermann und Otto Hartrich können mit dem Ablauf der Komödie zufrieden sein. Freilich müßte die Regie noch erheblich mit dem Rotstift arbeiten. sind doch manche Längen in den fünf Akten.

Horst Jacobs kündigte in seiner Begrüßung für den 10. April eine Wiederholung der "Viola" an. Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß alle Mitwirkenden ein reines und echtes Plattdeutsch sprachen, durchsetzt mit köstlichen Sprüchen, die mit zu dem langen Endapplaus beitrugen.

Elfriede Kollmann

Schleswig-Holsteinische Landeszeitung, 15.2.1983