22. Februar 1996

“Speeldeel” bald mit eigenem Theater

 

„Es ist wohl der Traum eines jeden Amateur-Schauspielers, einmal ein eigenes Theater zu haben“, meint Volker Schwarz, 2. Vorsitzender der „Speeldeel“. Und während wohl die meisten Laienspieler zeitlebens darauf vergeblich hoffen, stehen die 65 Aktiven seiner Truppe kurz vor der Erfüllung dieses Traumes. Schon in der kommenden Spielzeit 1996/97 wollen sie möglichst die ersten niederdeutschen Stücke im Friedrichsberg spielen — im eigenen Theater.
 

Noch hat der flache Hinterhofbau in der Friedrichstraße 60a jenen kühlen Charakter nicht ganz verloren, der herrschte, solange hier Obst, Gemüse, Tiefkühlkost und andere Lebensmittel verkauft wurden. Der Steinfußboden, die kahlen Wände — „dort vorn standen die Kassen“, erinnert sich spontan ein ehemaliger Kunde des „Einkauf-Centers Süd“, das hier einst untergebracht war. Doch Kassen, Einkaufswagen, Kühltruhen und Regale sind heute verschwunden. Und selbst, wenn die rohen Holzplanken der Bühne, die mit Stoff bezogenen, schwarzen Stellwände und die kerzenleeren Kronleuchter noch ein wenig provisorisch wirken, so beginnt der Raum doch bereits, den Charme eines kleinen Theaterstudios zu verbreiten. Der „Speeldeel“-Vorsitzende Uwe Petersen beschreibt nicht ohne Stolz die Verquickung günstiger Begleitumstände und das Engagement seiner Schauspielkollegen, die das ehrgeizige Projekt gleichermaßen in den Rahmen des Realisierbaren rückten. Zur Erinnerung:
Vor nunmehr drei Jahren kaufte der Verein das Supermarktgebäude mit Hilfe eines günstigen Kredites, nachdem die Miete für die angestammten Übungsräume in der Reiferbahn kurzerhand verdreifacht und damit unbezahlbar geworden war.


Jede Menge Platz für Kulissen, Requisite, eine Werkstatt und eine kleine Probenbühne, das erstandene Gebäude war ideal — und dennoch zu einem erheblichen Teil ungenutzt.   “Als wir merkten, wieviel Platz wir hier haben, spukte der Traum vom eigenen Theater schnell in unseren Köpfen herum“, erklärt Petersen. Was als vage Idee begann, nahm schnell konkrete Züge an. Die Zustellurkunde der Unteren Bauaufsichtsbehörde trägt das Datum vom 21. Februar 95 — „Genehmigung erteilt“! Der Entwurf eines befreundeten Schleswiger Architekten für ein Theater mit 99 Plätzen kann in die Praxis umgesetzt werden. Bis zu 15 Theaterfreunde und Schauspieler investieren von nun an Wochenende um Wochenende, damit die Vision von einer eigenen Bühne im Friedrichsberg in Erfüllung gehen und das mit spitzer Feder errechnete Budget von 50000 Mark eingehalten werden kann.

 

Probesitzen

Probesitzen in der ersten Reihe des neuen Theaters: “Speeldeel”-Vorsitzender  Uwe Petersen und Stellvertreter Volker Schwarz (von links)


Zur Freude des Vereins warfen die Modernisierungsarbeiten anderer Schleswiger Kultureinrichtungen für ein Theater unverzichtbare und über die Maßen günstige Einrichtungselemente ab. „Als das Stadttheater seine Beleuchtung modernisierte, fragten wir, ob wir nicht die alte Anlage entsorgen dürften“, beschreibt Petersen mit einem Augenzwinkern und deutet auf die Regleranlage, von der aus schon jetzt die Beleuchtung aller Räume individuell gesteuert werden könnte, wären nur schon Lampen und Scheinwerfer vorhanden. Über ein weiteres Schnäppchen freuen sich Petersen und Schwarz ganz besonders — die 99 Sitzplätze. Viele Schleswiger mögen sie noch kennen, die sieben, in klassischem, weinroten Velours gepolsterten Kinosessel des alten Capitol-Kinos. Auch sie gab es gratis.


Bis jedoch der ersten, bereits fest montierten Sitzreihe die übrigen sechs folgen können, bleibt noch viel Arbeit. Denn damit auch wirklich jeder Zuschauer die „Studio- und Experimentierstücke“, die neben dem fortgesetzten Schauspielbetrieb im Stadttheater, hier aufgeführt werden sollen, folgen können, müssen zunächst Podeste gezimmert werden. Sie fehlen bislang ebenso wie Vorhang, Beleuchtung, der dunkelrote Wandanstrich und die Garderobeneinrichtung. Insbesondere die Scheinwerfer hoffen die „Speeldeel“ - Vorsitzenden über weitere Spendengelder finanzieren zu können. Auf die öffentliche Hand wollen sie bewußt nicht setzen. „Wir finden es wichtig, zu zeigen, daß man mit Privatinitiative auch viel bewegen kann“, betont Petersen sichtlich zufrieden.


HANNES HARDING
 

Schleswiger Nachrichten 22. Februar 1996