De hillige Grootmudder

Ausverkauftes Haus zum „Speeldeel-Jubiläum“

Präsentiert wurde die Holmer Geschichte von "De hillige Grootmudder"

 

Eine Erstaufführung hatte die Schleswiger Speeldeel zu ihrem 20jährigen Jubiläum nicht zu bieten. Wohl aber ein Stück, mit dem sie bereits vor zehn Jahren einen enormen Publikumserfolg erzielten, und das der Speeldeel auch am Sonntag im Stadttheater wieder ein ausverkauftes Haus bescherte: "De hillige Grootmudder". Vielleicht ist diese Komödie in Schleswig deshalb so beliebt, weil sich die Handlung auf dem Holm in einer Fischerstube abspielt, also für viele "direkt vor der Haustür". Und noch etwas läßt sicherlich vielen Besuchern die Aufführung so lebendig erscheinen: Die Personen des Stückes haben tatsächlich im vorigen Jahrhundert auf dem Holm gelebt, allen voran Stine Tillkamp (eben "de hillige Grootmudder"). Sie war eine stadtbekannte Meisterköchin - selbst der "Herr Landgraf" vom Schloß Gottorf schickte eine zweispännige Kutsche, wenn er ihre Kochdienste in Anspruch nahm. Ihre Tüchtigkeit auf vielen Gebieten ließ mitunter nicht nur ihrem eigenen Ehemann, einem braven Holmer Fischer, "die Puste ausgehen". Wahre Begebenheiten, aber auch eine gute Portion frei Erfundenes ergänzen sich zu einem amüsanten Drei-Akter, in dem die Agierenden häufig so "schnutig" sind, daß man einfach losprusten muß. Allerdings weist das Stück im zweiten Akt auch einige Längen auf, die nicht ganz so pointen- und ideenreich sind wie im ersten und letzten Teil, aber das ist wohl um der Verständlichkeit der Handlung willen nicht zu umgehen.

Vorsichtig ausgedrückt bedeutet diese Komödie für einen Holmer eine Art Familienchronik - mit Abstrichen natürlich. Denn der leibliche Enkel der Stine Tillkamp - das ist "Hanne Dalli" Tillkamp" - ist nach wie vor auf dem Holm zu Hause, und in seiner Stube hängt heute noch das Porträt seiner Großmutter, das in dem Stück Ausgangspunkt der Handlung ist. Er war - wie vor zehn Jahren auch am Sonntag wieder Ehrengast der Speeldeel; seine eigene Person spielt auf der Bühne ebenfalls eine Rolle, er wird dargestellt von "Speeldeel" -Schauspieler Jens Larssen. Dem echten "Hanne-Dalli" sagte der 2. Speedeel-Vorsitzende Uwe Petersen in einer kleinen Ansprache vor der Aufführung: "Mien lewe Hanne, ik wünsch Di nu veel Spaaß mit Dien Familie."

Verfaßt hat die Komödie Irmgard Kuhlmann aus Selk. Sie, die vor etlichen Jahren einen Rundfunkbeitrag über den Holm vorbereitete, erfuhr zufällig von dem Großmutter-Porträt bei "Hanne Dalli" Tillkamp und von der damit verknüpften Vorgeschichte. Erst auf Drängen des Hamburger Ohnsorg- Theaters verarbeitete sie diese Begebenheiten, angereichert mit phantasievollen Zusätzen, zu einem Theaterstück. Irmgard Kuhlmann ging dabei so feinfühlig vor, daß auch die lebenden Nachfahren nichts gegen die Präsentation ihrer Familie auf diese Art einzuwenden haben. Karl-Heinz Kreienbaum sorgte für die plattdeutsche Fassung, die wiederum von Annemarie Dienesen überarbeitet wurde.

Apropos Annemarie Dienesen. Sie erhielt mehrmals offenen Szenenapplaus. Sie hatte als alte, schlitzohrige Diepenbeekersch die dankbarste Rolle und war mit ihrem "Schnutwark" so umwerfend komisch und vor allem schlagfertig, daß der Beifall gerechtfertigt ist. Sie trug entscheidend dazu bei, daß die Situationskomik voll zur Geltung kam. Etwa wenn sie das Tun und Treiben der Familie Tillkamp, bei der sie auf dem Dachboden ein Kämmerlein hat, mit stets lauernden Blick verfolgt, um dann hinterher sogar - nehrig (geizig) und neugierig wie sie ist - einen finanziellen Vorteil daraus zu ziehen.

Zum Inhalt: "Hanne Dalli", der Holmer Fischer, bekommt vom "Dom-Pastor" ein recht ansehnliches Preisangebot für das Porträt seiner Großrnutter. Er will sich, zumal seine Frau ihm gut zugeredet hat, den Kauf überlegen und eine Nacht drüber schlafen. Diese Nacht nun hat es in sich: Im Traum erscheint ihm seine Großmutter in jungen Jahren. Sie entsteigt dem Bilderrahmen und droht ihrem Enkel "Hanne Dalli", das Bild ja nicht wegzugeben: "Scham di", sagt sie, "in den Dom wullt du mi ophangn, mang de doren griesig.en Figuren - keen eenzige flotte Mannsbild is dorbi."

Und das ist der schwache Punkt der Großmutter: die Männer – vornehmlich die in Uniform. Sei es nun der Kutscher vom Schloß oder der Zoll-Oberinspektor - Meisterköchin Stine kann sich für sie alle erwärmen. Ihr Mann ist derweil häufig auf Fischfang. Doch das immer offensichtlicher werdende Rausputzen seiner tüchtigen Stine ist ihm ein Dorn im Auge: "Se is een Fischersfruu, de hett naa Fisch to stinken und naa nix anneres", findet er. Und dann ist da ja noch die Diepenbeekersch, die alles kräftig würzt... Dieser Traum von "Hanne Dalli“ bildet den Mittelpunkt ,des Bühnengeschehens, und als er am Ende aufwacht, ist er sich gar nicht mehr so sicher, ob seine "Oma" überhaupt in den Dom "mang de hilligen Lüüd" paßt. Auch dem Pastor kommen Bedenken, ihm geht, ein Licht auf.

Das ganze spielt in einer Holmer Wohnküche um 1850 (zu Großmutters Zeiten) und um 1900 bei "Hanne Dalli". Die Bühneneinrichtung samt Klööndöör stammen von Helmut Utermann und Otto Hartrich. "Hanne Dalli" wurde - wie gesagt von Jens Larssen überzeugend dargestellt. Das Stottern gelang ihm prima. Seine Ehefrau - auf der Bühne wie im Leben - Erika Larssen, wirkte so echt und natürlich in ihrer "Süseligkeit" gegenüber ihrem Mann, daß gar kein Gedanke an Schauspielerei aufkam. Waltraud Evers als "Grootmudder" wurde ihrer Rolle gerecht, hätte sie aber vielleicht ein wenig nuancenreicher in Gestik und Mumik gestalten können. Gut allerdings kam ihre Freude über ihr adrettes Aussehen zum Ausdruck.

Die weiteren Personen: Reimer Wischmann überzeugend als "Stines" Mann, der immer argwöhnte, daß ihm Hörner aufgesetzt werden, ferner die beiden Fischer Kalli Walter und Horst Seegebarth, die ihm "helfen“ wollen und Olly Gröning als schwatzhafte Nachbarin, Charly Fassmer als fescher Kutscher zu allen Taten bereit sowie Werner Jungjohann und Ludwig Wulf als Museumsdirektor und Dompastor: Jens Larssen spielte zudem in einer Doppelrolle den Oberinspektor.

Der Aufführung folgte eine Ehrung für den fast 79jährigen Ludwig Wulf, genannt "Tucky", der seit 18 Jahren der "Speeldeel" angehört. Werner Jungjohann als 1. Vorsitzender überreichte ihm eine Urkunde und ernannte ihn zum Ehrenmitglied der "Speeldeel". Glückwünsche ließ auch der Verband der Amateur-Theater Schleswig-Holstein übermitteln, dem die Speeldeel 1965 beigetreten war. In der. Jubiläumsbroschüre weist Vorsitzender Jungjohann auf den Werdegang der "Speeldeel" hin. Man begann 1961 mit 15 niederdeutschen Laienschauspielern, heute sind es nach seinen Angaben 60 Aktive und 70 Mitglieder des Fördervereins. In den vergangenen Jahren hat man insgesamt 70 Stücke einstudiert - vom Drama „Füer" bis hin zum Singspiel "Dat Rosenfest". Jungjohann dankte den Theaterbesuchern für die jahrelange Treue zur "Schleswiger Speeldeel" .

-fb

Schleswiger Nachrichten

 

 

„De hillige Grootmudder" trat wieder ihren Siegeszug an

Annemarie Dienesen „überragte" bei Jubiläumsspiel

 

Schleswig. 20 Jahre Schleswiger Speeldeel, das war nicht nur ein Grund zum Freuen und Feiern, es war auch Anlaß zu einer Rückbesinnung, wie sie Uwe Petersen zu Beginn des Jubiläumsabends im ausverkauften Schleswiger Stadttheater hielt. Nach der Gründung 1961 „mit 15 Mann, ohne Kulissen und ohne Beleuchtung" wagten sich die Akteure schrittweise vor, mit Aufführungen: „De swatte Hex" und „Schattenspeel". Noch heute sind zwei der „alten Garde" dabei: Annemarie Dienesen und Werner Jungjohann. Mitte der 60er Jahre kamen Jens und Erika Larssen sowie Waltraud Ewers als bewährte Darsteller dazu.

Die Speeldeel schloß sich dem Verband deutscher Amateurtheater an, machte Gastspielreisen nach Holland, Belgien, Finnland, Dänemark und Lahausen bei Bremen. Eben aus der Hansestadt konnten Gäste begrüßt werden wie auch Landesverbandsvorsitzender Plath und Ehrenvorsitzender Adolf Bielfeldt. Sprunghaft stieg die Mitgliederzahl durch Gründung eines Förderkreises auf 130 an. Auch zum 10. Jubiläum hatte die Speeldeel das bühnenwirksame Stück von Irmgard Kuhlmann „De billige Grotmudder" gewählt.

Ebenso wie vor zehn Jahren scheint auch diesmal das Stück seinen Siegeszug über die Bühnenbretter anzutreten zur Freude der „Plattdeutschen". Zwischen einem um die Jahrhundertwende spielenden Vor- und Nachspiel entwickelt sich in einer Traumhandlung die 50 Jahre früher spielende Geschichte um eine Holmerin, deren Bild noch heute in einem Hause auf dem Holm hängt. Schon die heimelige Atmosphäre des Bühnenbildes (Hans Joachim Boldt) mit dem Blick auf die Holmer Kapelle und den vielen Kleinigkeiten aus Großmutters Küche war ein maßgeblicher Rahmen für die Akteure gesetzt, unter denen zunächst Jens Larssen (ohne Bart und rothaarig) seinen großen Auftritt hatte. Als Hanne Dalli-Tillkamp war er als stotternder Fischer in Mimik und Schlagfertigkeit unübertrefflich. Erika Larssen überzeugte als clevere, ewig keifende Fischersfru. Die beiden Fischer Nicker (Kalli Walter) und Hein (Horst Seegebarth) waren einträchtige Kumpel ihres Kameraden Jöns, der von Reimer Wischmann nach allen Regeln der Kunst als dümmlicher, aber auch „bauernschlauer" Fischersmann sehr treffend gestaltet wurde. Olly Gröning war eine richtige „Schludersch", die ihre Nase in alles steckte und immer das Gras wachsen hörte.

Und nun zur Hauptperson, Waltraud Ewers als Stina Tillkamp. Schon das stete Sitzen in dem „Rahmen" erforderte strenge Disziplin. Aber wie kokett und schlau wirkte sie im Traum des Hanne Dalli, ihres Enkels. Da war es kein Wunder, daß sich der neue Kutscher des Landgrafen (Charly Fassmer) ebenso um ihre Gunst bemühte wie der Zollinspektor Dräsel (Horst Jacobs) und auch der Oberinspektor, dem Jens Larssen in einer Doppelrolle köstliches Leben verlieh.

Eine überragende Leistung bot — wie stets - Annemarie Dienesen als Diepenbeekersch. Jede Geste „saß". Sie war in ihrer allgegenwärtigen Neugier und Geldgier so einmalig, daß ein Großteil des Szenenapplauses ihr galt. In ihrer Hand lag auch die Regie der Aufführung, wobei Helmut Utermann, Otto Hartrich und Heike Walter gute Mitarbeit leisteten. Werner Jungjohann war ein vornehmer Museumsdirektor und Ludwig Wulf ein würdiger Dompastor. Bei durchweg einwandfreiem Platt lief die Aufführung flüssig und spannend dahin. Es gab eine Reihe von Vorhängen und viele Blumen.

Den Abschluß bildete eine Ehrung. Im Kreise seiner Spielerkollegen wurde der 78jährige Ludwig Wulf, „Tucki" genannt, mit einer Urkunde für langjähriges Mitmachen geehrt.

 

Elfriede Kollmann,

Schleswig-Holsteinische Landeszeitung

 

 

De hillige Grootmudder

Die Jubiläums-Premiere der Schleswiger Speeldeel war Sonderklasse

 

Stina Tillkamp, Meisterköchin, vom Schleswiger Holm im vorigen Jahrhundert, war bekanntlich eine Klasse für sich, weshalb sie auch porträtiert worden ist und ihr Bild noch immer bei Hanne „Dalli" auf dem Holm hängt. Am vergangenen Sonntag, bei der festlichen Jubiläums-Premiere zum zehnjährigen Bestehen der Schleswiger Speeldeel, trat Stina aus ihrem Bilderrahmen auf die Bretter des seit Tagen ausverkauften Schleswiger Stadttheaters, -als Hauptfigur der Komödie „De billige Grootmudder" von Irmgard Kuhlmann. Auch diese Aufführung war eine Klasse für sich. Zugegen waren maßgebliche Vertreter von Stadt und Kreis Schleswig, vom Schleswig-Holsteinischen Heimatbund, vom Verband der Volks- und Laienspielbühnen Schleswig-Holstein und von der Niederdeutschen Bühne Schleswig. Sie alle wurden von Werner Jungjohann, dem 1. Vorsitzenden der jubilierenden Bühne, unter Beifall begrüßt. Besonders herzlich willkommen geheißen wurden drei Gäste, die mit diesem besonderen Anlaß eng zusammenhängen, nämlich die Verfasserin des Stückes, Frau Irmgard Kuhlmann; Stina Tillkamps Enkel Hanne „Dalli"; und Frau Irmgard Johnsen, deren Hilfsbereitschaft in der mageren Gründerzeit die Schleswiger Speeldeel nicht vergißt. Alle Zuschauer waren in das, was kommen sollte, schon eingestimmt durch den Programmzettel, dem in origineller Weise eine Nummer der „Schleswiger Nachrichten" aus dem Jahre 1895 unterlegt war.

Irmgard Kuhlmann hatte noch gar nicht an die Möglichkeit gedacht, ein Theaterstück zu schreiben, als sie bei Vorbereitungen zu einem Rundfunkbeitrag über den Holm hörte, daß mit Stinas Porträt eine aktuelle Begebenheit verknüpft sei. Erst auf Drängen der Hamburger Ohnsorg-Schauspieler verarbeitete sie die Eindrücke vom Holm zu einer Komödie, zur „Hilligen Grootmudder", die von Stina und ihrem Porträt handelt. In dem Stück sind Tatsachen und freie Erfindung zusammengefügt zu einem bunten Alt-Holmer Bilderbogen. Es versteht sich von selbst, daß dabei die Personen komödiengerechte Züge erhalten haben. Die Verfasserin ist dabei aber so taktvoll und geschickt vorgegangen, daß selbst der echte Hanne „Dalli" mit der Art und Weise, in der er und seine „Oma" auf die Bühne gestellt werden, voll einverstanden ist; dieser Punkt ist bei einer Aufführung in Schleswig besonders hervorzuheben. So hat man hier wie woanders Vergnügen an der hübschen Idee, auf die sich das Stück gründet, und Vergnügen auch an den zahlreichen komischen Verknüpfungen, die immer aus der Handlung selber entstehen und nicht, wie es sonst manchmal bei plattdeutschen Stücken der Fall ist, des Effektes wegen gewaltsam eingefügt werden. „De hillige Grootmudder" ist, kurz gesagt, ein Beweis dafür, daß fröhliche Stimmung - vom behaglichen Schmunzeln bis hin zu Lachsalven - mit gutem Geschmack zu vereinbaren ist. Die plattdeutsche Fassung des Stücks stammt von Karl-Heinz Kreienbaum, sie ist von Annemarie Dienesen für ihr Schleswiger Publikum etwas überarbeitet worden.

Die Schleswiger Speeldeel übertraf sich selbst bei dieser Aufführung; das gilt für die Regie ebenso wie für die Darstellung und das technische Drumherum. Den Löwenanteil leistete Annemarie Dienesen. Von ihr stammte die ungewöhnlich komplizierte Bühneneinrichtung: Diese Holmer Wohnküche aus der Zeit um 1900, sie verwandelte sich, während die Zeiger der Küchenuhr rasch rückwärts kreisten, auf offener, nur abgedunkelter Szene in eine Wohnstube von 1850, und umgekehrt; das klappte also tadellos, verantwortlich dafür und für die Beleuchtungseffekte war Walter Löschenkohl. Der Raum hatte stilechtes Zubehör und eine Klöhntür, durch die ein Holmprospekt (von Rudolf Lammert) zu sehen war. Die Bühnenholmer trugen echtes Fischerzeug; ihre hohen Stiefel waren gleich zu Anfang stimmunghebende Requisiten. Annemarie Dienesen hatte auch das Stück einstudiert, und sie spielte dazu die Diepenbeekersch, die im Stück als schwatzhafte Nachbarin Verwirrung stiftet. Das alles schaffte die „Seele der Speeldeel" mit Glanz; trotz der gewaltigen Beanspruchung beschränkte sie sich als Darstellerin nicht auf ihre bewährten Mittel, sondern sie sorgte auch mit neuen, ihrer Rolle angemessenen Mitteln für Heiterkeit.

Waltraut Evers war in der Titelrolle am rechten Platz. Ihr sicheres,  sympathisches Auftreten ließ die „Unhilligkeit" Stinas -nämlich ihre Schwäche für stattliche Männer - als eine ganz natürliche Sache ohne argen Beigeschmack erscheinen. Jens Larssen spielte die Doppelrolle als Hanne „Dalli" und als Oberinspektor Klüsendorp wie ein Vollblutschauspieler; jede Gestalt hatte ihre eigenen unverwechselbaren Züge (er stotterte übrigens mit ausdrücklicher Zustimmung des echten „Dalli"). Erika Larssen war im Vor- und im Nachspiel eine tüchtige, sehr angenehme Fischersfrau; Paul Moldenhauer (Museumsdirektor) und Ludwig Wulf (Pastor) charakterisierten gut die Honoratioren, die sich um Stinas Porträt bemühen. Helga Schlüter als neugierige Nachbarin Frieda; Reimer Wischmann als Pantoffelheld-Ehemann der lebenslustigen Stina; Werner Jungjohann (mit echtem Seemannsbart) und Heinz Westernhagen als die beiden Fischer auf Abwegen; Carl-Ludwig Boyens als Zollinspektor Dräsel in Nöten und Gerd Peters als vitaler Schloßkutscher: Sie alle trugen mit gutem Spiel zum Erfolg bei. Die vergnügten Zuschauer klatschten und klatschten; es gab viele Blumen.

Bei der anschließenden Jubiläumsfeier im Handwerkerhaus wurden der Schleswiger Speeldeel weitere Anerkennungen und Geschenke zuteil.

Margarete Lorenzen

Schleswiger Nachrichten, 26.10.1971

 

 

So heilig war Oma nicht

Jubiläumspremiere der „Schleswiger Speeldeel" mit „De Hillige Grootmudder"

Zehn Jahre „Schleswiger Speeldeel" ist eine stattliche Zeit für den Bestand einer Laienbühne, im zeitbewegten Auf und Ab des sonstigen Theaterlebens. Die „Speeldeel" blieb von Krisen verschont, die Schar ihrer Freunde ist gewachsen. Ohne Selbst-bewußtsein und Zielsicherheit wäre das nicht geglückt. Annemarie Diene-sen und ihre erfahrene Mannschaft j besitzt beides.

 

Zum zehnjährigen Jubiläum der Bühne konnte es keinen besseren Aufhänger geben, als ein Stück aus dem Alt-Schleswiger Milieu. Die Autorin, Irmgard Kuhlmann, lebt in Niederselk und ist mit den lokalen Verhältnissen vertraut. Schon bei der Uraufführung von „De hillige Grootmudder" im Hamburger Ohnsorg-Theater, wurde das Volksstück mit Begeisterung aufgenommen.

Daß die lebenslustige Holmer Großmutter tatsächlich gelebt hat, sprach sich mittlerweile herum. Stina Tillkamp war einst Köchin im Schloß Gottorp und ließ buchstäblich nie etwas  anbrennen. Von  resoluter Wesensart, har se to Hus de Büxen an. An Büxen vorbeizugehen, fiel ihr schwer,   aber  Dank   nachbarschaftlicher Assistenz blieb das ein Geheimnis. So wurde sie zu einer volkstümlichen Schleswiger Figur, wurde auf Wunsch des Landesfürsten porträtiert und beinahe wäre ihr Bild zu den Heiligenbildern im Dom gehängt worden.

Annemarie Dienesen inszenierte die Komödie mit Schwung, Außerdem macht sie mit ihrer köstlichen Begabung für schrullige Typen aus der Schludertante Diepenbeckersch eine tragende Hauptrolle. Waltraud Evers spielt die „unheilige" Oma Christine Tillkamp, ohne ins Gewöhnliche abzugleiten.

Jens Larssen glänzte in einer Doppelrolle als gekonnt stotternder Enkel Dalli und als forscher, „unbestechlicher" Zolloberinspektor. Er meisterte großartig die beiden völlig verschiedenen Charaktere, mit dem „rein zufällig" gleichen Aussehen . . . Erika Larssen gestaltete die Rolle der biederen, fleißigen Frau Greten mit Sinn und Verstand. Stinas Ehemann, Jöns Tillkamp, war ein rechter Drömbüddel. Reimer Wischmann machte aus dem armen Gehörnten eine sympathische Figur. Zwei schmuggellustige Holmer Fischer wurden von Werner Jungjohann und Heinz Westernhagen zu zünftigem Leben erweckt. Als klogschieterige Nachbarin Frieda bot Helga Schlüter eine nette Leistung. Karl-Ludwig Boyens, als Zollinspektor Drösel, hätte Dösel heißen müssen. Gerd Peters wanderte als Kutscher Welters auf heimlichen Liebespfaden durch die Hintertür. Altmodisches Beamtentum demonstrierte Paul Moldenhauer als Museumsdirektor Huusbarch. Ludwig Wulf hatte sich für seine gelungene Pastorenrolle schon monatelang Bartkoteletten stehen lassen.

Besonders erwähnenswert ist das geschickt erdachte und geglückte Bühnenbild. Eine Uhr, die rückwärts geht, mystische Lichtreflexe und Sphärenklänge machen die Übergänge zu Vor- und Nachspiel zur zusätzlichen Attraktion.

Das beifallsfreudige Publikum honorierte das prächtige Stück und die Leistung der Darsteller mit viel Szenenapplaus. " Blumen über Blumen, mindestens sechs Vorhänge zu schier endlosem Beifall, machten den festlichen Abend zu einem Meilenstein in der Geschichte der „Schleswiger Speeldeel."

Südschleswigsche Heimatzeitung, 26.10.1971

 

 

Die unheilige »Hillige Grotmudder«

Jubiläumsaufführung der „Speeldeel"

 

Schleswig (1z). Die „Schleswiger Speeldeel" besteht zehn Jahre. Ihre Jubiläumsaufführung bestritt sie mit Irmgard Kuhlmanns „De hillige Grotmudder", einer Komödie, die auf dem Holm in Schleswig spielt und deren Handlung sich um ein Familienbild rankt, das noch heute im Hause des Fischers Hanne Dalli hängt. Es stellt die „hillige Grotmudder" dar, die sich in dem Spiel allerdings als unheilige Ahne vorstellt. Der „Speeldeel" gelang mit dieser ersten Aufführung in ihrer neuen Spielzeit ein großer Wurf. Annemarie Dienesen hat als Spielleiterin die Mitwirkenden fest in der Hand und stellt sie als ein Ensemble vor, das alle Schwierigkeiten des 12-Personen-Stückes nicht nur meisterte, sondern so gut die Rollen beherrschte, daß nur ein uneingeschränktes Lob dieser Jubiläumsaufführung gerecht wird. Man kann dazu nur gratulieren!

Die „hillige Grotmudder" hat vor mehr als hundert Jahren auf dem Holm gelebt. Irmgard Kuhlmann läßt sie als lebensfrohe und liebeslustige junge Fischersfrau über die Bühne gehen. Dem Fischer Hanne Dalli erscheint so seine Großmutter im Traum, in dem sie als Stina Tillkamp aus dem Bilderrahmen steigt und die gute alte Zeit Carl Landgrafs wieder lebendig werden läßt. Nicht von ungefähr ist der Enkel Hanne Dalli ins Träumen geraten. Museumsdirektor und Dompastor haben ihm viel Geld für das Bild der Großmutter geboten. Im Dom sollte es einen Platz erhalten; deshalb die Bezeichnung „hillige Grotmudder". Warum es dazu aber nicht gekommen ist, schildert Irmgard Kuhlmann so lebensecht, spannend mit Schmuggel und Zoll und so überzeugend, daß man dieser plattdeutschen Komödie sicherlich in Zukunft noch häufig im niederdeutschen Theater begegnen wird. Wo man sie so aufführen wird, wie die „Speeldeel" es zeigt, macht das Stück voll schmunzelndem plattdeutschem Humor seinen Weg.

Die „Speeldeel" übertraf sich selbst. Daß sie eine Spielgemeinschaft von Laienspielern ist, ließ ihre Aufführung keinen Augenblick erkennen. Alle Mitwirkenden gaben ihr Bestes, voran Waltraut Evers als „hillige Grotmudder" und Jens Larssen als ihr Enkel Hanne Dalli und in der zweiten Rolle als Zolloberinspektor Klüsendorp. Erika Larssen als Hanne Dallis Frau, Helga Schüter als Nachbarin, Reimer Wischmann als Tina Tillkamp s Mann, Werner Jungjohann und Heinz Westernhagen als Fischer, Carl-Ludwig Boysen, als Zollinspektor, Gerd Peters als Kutscher vom Schloß, Paul Moldenhauer als Museumsdirektor, Ludwig Wulf als Pastor und wie immer in einer großartigen Rolle Annemarie Dienesen als schludernde, neugierige Alte machten der Jubiläumsaufführung alle Ehre. Das hätte kein Berufsschauspieler-Ensemble besser machen können. Die vielen Blumen am Schluß waren mehr als Ausdruck der Anerkennung, das ausverkaufte Haus gab seine Begeisterung dazu.,,,,,,,

 

Schleswig-holsteinische Landeszeitung, 26.10.1971

 

 

KULTURSPIEGEL

Niederdeutsche und ihr plattdeutscher Nestroy

 

Husum. Nun haben die Niederdeutschen ihren plattdeutschen Nestroy! Und wenn ich in der Statistik der letzten Spielzeit lese, daß hinter Brecht und Molière gleich Nestroy mit 808 Aufführungen auf den deutschen Theatern erschien, dann könnten sich für die „Hillige Grotmudder" erfreuliche Perspektiven eröffnen. Das war ein vergnüglicher Theaterabend im vollbesetzten Saal in Thordsens Kongreßhalle, und es war mal wieder der beste Beweis dafür, daß es nicht immer nur Bühne mit großem Namen zu sein brauchen, die erfolgreich das niederdeutsche Theater an das Publikum hinantragen. Diesen Beweis hat uns der Kreiskulturring Husum seit mehreren Jahren erbracht.

Diesmal war es die Schleswiger Speeldeel mit der Komödie „De hillige Grotmudder" von Irmgard Kuhlmann, plattdeutsch von Karl-Heinz Kreienbaum, die mit flottem Spiel die Zuschauer zu Lachsalven und Applaus bei offener Szene hinriß. Freilich ist die Bezeichnung „Komödie" irreführend; die Berliner früherer Jahre würden „Lokalposse" gesagt haben, die Wiener Besucher Nestroyscher Stücke würden „Traumspiel" als Bezeichnung richtiger finden, und beides würde keine Herabminderung bedeuten. Beides würde auch in diesem Fall zutreffen, denn das Stück spielt auf dem Holm bei Schleswig in Schleifischerkreisen und reicht hinüber bis ins Schloß Gottorp des Herzogs von Schleswig.

Bindeglied zwischen beiden Stationen ist das Bild der Großmutter, das der Landgraf auf dem Schloß von seiner reizenden Köchin durch den seinerzeitigen Hofmaler v. Hahn konterfeien ließ. Damals ein reizendes junges Mädchen, das seine inneren Reize beseelter Kochkunst mit seinen äußeren Reizen bewußt ins Spiel zu setzen wußte — und das nicht nur beim Schloßherrn und seinem Gesinde —, hängt nun als Gemälde in der Fischerkate und wird vom Herrn Museumsdirektor wie auch vom Dompastor für wert erachtet, entweder im Museum oder im Dom zwischen den Heiligenbildern einen neuen Platz zu finden. Wie weit es nun mit die Moralität und die „Heiligkeit" der Großmutter bestellt ist, das erlebt der Enkel im Traum — und wir im Zurückspiel von mehr als hundert Jahren — als köstliche Episode voll sprühenden, mitunter beißenden Humors. Vom „Hilligen" bleibt da nicht viel übrig, auf den Ehrenplatz im Dom. wird verzichtet.

Die originelle Handlung und der geschliffene Dialog, an dem vor allem das gute Platt zu loben ist, erfordern eine flotte Spielweise. Annemarie Dienesen, sowohl als Regieführende als auch in der Rolle der Rappelsnut Diepenbeekersch, hatte für das rechte Tempo gesorgt. Waltraut Evers in der Rolle der lebensfrohen „Großmutter" überwand bald eine anfängliche Befangenheit (sie hatte eine enorme physische Leistung als Ölbild an der Wand hinter sich gebracht) und spielte sich mehr und mehr frei, so daß ihr zum Schluß wohlverdienter Beifall neben ihrem Enkel (Jens Larssen) — zuteil wurde. Alle übrigen Chargen waren gut besetzt und trugen mit ihrem Spiel zum wohlgelungenen Erfolg bei. Ehe die Schleifischer allerdings zum Singen von Spottliedern ansetzen, müssen sie doch wohl ein wenig spritseliger sein. Wahre Kabinettstückchen gaben in ihren kleinen Szenen der Museumsdirektor (Paul Moldenhauer) und der Herr Pastor (Ludwig Wulf).

Wie gesagt, es war eine gute Ensembleleistung aller Mitwirkenden, wobei noch besonders hervorzuheben ist, daß es sich um reine Laienspieler handelt, die aus Freude am Spiel und an der niederdeutschen Sprache ihre Freizeit opfern und die Beschwernisse einer Gastspielreise auf sich nehmen, um uns Zuschauern einen köstlichen Abend zu schenken. Der reiche Beifall mag ihnen bewiesen haben, daß ihnen dies Vorhaben bestens gelungen ist. Ihnen allen und dem hiesigen Kreiskulturringleiter gilt unser Dank für diesen unterhaltsamen Abend mit der „hilligen Grotmudder".

Paul Jessen,,,

Husumer Rundschau, 8.12.1971

 

 

KULTURSPIEGEL

Köstliche „hillige Grootmudder"

 

Husum. Da meint man heute, die plattdeutsche Bühne müsse moderne Stücke bringen, um Besucher zu behalten. Die Schleswiger Speeldeel hat mit ihrer Aufführung des historischen Schleswiger Volksstückes „De hillige Grootmudder" gezeigt, daß es darauf ankommt, Stücke aus dem Leben der plattdeutschen Menschen aufzuführen.

Das Spiel ließ die Zuschauer den lebendigen Quell des plattdeutschen Wesens, den Quickborn, erleben, wie ihn Klaus Groth nennt. Das ist ein Stück nach dem Herzen des plattdeutschen Menschen. Eine lebendige Handlung mit viel lustigen Einfällen, gespielt von begabten, hübschen Laienspielern, die mit ihren Leistungen einem Berufstheater Ehre machen. Das ist plattdeutsches Theater, wie es sein soll, aus dem Leben, voll der Schwanke, die das tägliche Leben bietet, ein Stück, das den Zuschauer mitspielen und mitempfinden läßt. Einfallsreich und wirkungsvoll ist die Bühnengestaltung.

Die Schleswiger Speeldeel hat den Spielplan der niederdeutschen Bühnen dieses Winters mit großem Erfolg bereichert. Sie verdient höchste Anerkennung für ihr Spiel und die Auswahl dieses Stückes, das aus der Feder von Irmgard Kuhlmann stammt und von Karl-Heinz Kreienbaum plattdeutsch bearbeitet ist. Ein volles Haus dankte den zwölf Spielern mit vielem Zwischenbeifall und nicht endendem Schlußapplaus.

Wer an diesem Abend nicht teilgenommen hat, hat viel versäumt. Voraussichtlich am 13. Januar wird die „hillige Grootmudder" in Friedrichstadt gespielt.

Hans Seifert

Husumer Rundschau, 7.12.1971