... un baven wahnen Engel

Der Lorbeer gebührt Annemarie Dienesen

Vergnügliche Speeldeel-Premiere mit dem Stück
 ,,… un baven wahnen Engel"

 

 

Als dritte und letzte Premiere der Spielzeit 1983/84 brachte die Schleswiger Speeldeel die Komödie “... un baven wahnen Engel" von Jens Exler heraus. Exler, Flensburger Stückeschreiber, Schauspieler und Regisseur, hat die Gabe, die menschlichen Schwächen aufs Korn zu nehmen. ohne dabei zu verletzen. Er tut es auf heitere, unbeschwerte Art, die in der. tieferen Ebene zum Nachdenken bringt. So auch in diesem Stück, das allerdings - schon in der Exposition, aber besonders im zweiten Akt - manche Längen hat. Da wird zuviel erzählt und berichtet, streckenweise ist das Geschehen mehr statuarisch als dynamisch.

Kalli Walter konnte in seiner Begrüßung stolz konstatieren: "Dat Huus is utverköfft" - für Kassenwart wie für Spieler der schönste Satz! Das Stück wird im September noch einmal wiederholt.

Es ging dann gleich mit den Engeln los, die mit Bibel und Gesangbuch gleichmäßig auf den Tisch bumsen, um die darunter wohnenden Mieter zu vergraulen. Mehrmals ist ihnen das schon gelungen, aber diesmal gibt es unerwartete Schwierigkeiten: Die Mieter reagieren anders als gewohnt, der Neffe Klaus macht eine Entdeckung, mit Karin gemeinsam entwickelt er einen "Anti-Klopf-Geist", der Hauswirt muß sich als Kriminalist in einem Mordfall betätigen, und am Schluß löst sich alles in Wohlgefallen auf: der Geist ist verschwunden, Karin und Klaus kriegen sich und die Schwestern Helene und Elvira sind wieder die Unschulds-Engel…

Sie werden von Waltraud Ewers und Olly Gröning köstlich dargestellt. Helene, die Ältere, pocht stets auf diesen Rang, die Jüngere - "ümmer ick!" - hat nichts zu lachen, fügt sich maulend in ihr Schicksal - nur einmal trumpft sie auf, dann aber gründlich. Die beiden sind sehr wandlungsfähig: meistens sind sie wirklich de ollen Kreihn", aber manchmal turteln sie ganz schön mit ihrem Klausijung herum. Das bringt viel Turbulenz auf die Bühne. Klaus, der Neffe, wird von Arno Vogel dargestellt, der zunächst befangen wirkte, sich dann aber freispielte und ein erfreuliches Talent an den Tag legte. Anja Hansen qab die Karin Schlüter natürlich. mädchenhaft, etwas verschmitzt und dabei doch unmerklich zielstrebig genug, ihren Klaus - genau wie den entflogenen Wellensittich – einzufangen.

Das war übrigens ein hübscher Gag der Regie (Horst Jacobs): der entflogene Vogel gab immer neuen Gesprächspaaren Gelegenheit, auf der Bühne zu agieren; so: fiel es nicht auf, daß ja eigentlich alles in einem Zimmer spielte. Das Bühnenbild stammte von Helmut Utermann, erwies sich als hübsch und funktional gestaltet und wurde schon beim Öffnen des Vorhangs mit Beifall begrüßt.

Volker Schwarz spielte den Nachbarn Schlüter, recht echt sowohl in seinem Zorn über die Klopferei als auch in seinem Bemühen, dem Klopfgeist auf die Spur zu kommen. Es sollte sich um eine etwas deutlichere Aussprache bemühen. Dem Nachwuchs standen zwei alte Bühnenhasen zur Seite: Werner Jungjohann und Annemarie Dienesen. Jungjohann spielte den Hauswirt Babbel, in seinem Auftreten und seiner Intention recht zurückhaltend. Sicherlich wollte er die jungen Darsteller, vor allem den Klaus, nicht "an die Wand spielen", was ihm leicht möglich gewesen wäre. So zog er nur zarte Register seines komödiantischen Könnens und überließ seinem Partner - beide mußten sich ja gegen das übergewichtige weibliche Element behaupten - das Feld. Aber auch hier hübsche Regie-Einfälle: der Abflußsauger als Hörrohr!

Der Lorbeer gebührt wieder Annemarie Dienesen, die ihrer "Nawersch Fritsche" einen unwiderstehlichen Charme  verlieh. Da saß jede Geste, jede Bewegung, jeder Blick - Lachsalven durchzogen das Haus, selbst wenn sie kein einziges Wort sagte. Das kam allerdings sehr se1ten vor, sprachlos war sie eigentlich nur - und sehr enttäuscht - als die "Leiche" plötzlich im Nachthemd auftauchte. Frau Dienesen gab wieder eine köstliche Studie voll lebensprallen Humors, ohne in den Klamauk zu verfallen - davon kann sich mancher Profi mehrere Scheiben abschneidenl Ihr Schwung und. die Spielfreude steckte die anderen merklich an.

Die Technik wurde von Konrad Hansen sorgsam betreut, es klingelte häufig und immer zur rechten Zeit! "Hoor un Snutenwark" hatte Heike Walter ansprechend besorgt, und die" Toseggersch" war Sieglinde Lehnhoff, die im dritten Akt allerdings häufig in Aktion treten mußte. Es wurde kräftig gelacht, es gab rauschenden Beifall, viele Vorhänge, und neben den "obligatorischen" Blumen wurden auch noch mehrere private Sträuße verteilt.

Reimer Pohl

Schleswiger Nachrichten 12.3.1984

 

 

Eine köstliche Komödie

Speeldeel eröffnete Saison mit „Twee Engels"

 

Schleswig. Auch für die „Schleswiger Speeldeel" begann die Wintersaison. Mit dem Lustspiel in dree Törns „... un baven wahnen Engels" von Jens Exler konnten die neun Spieler unter der Regie von Horst Jacobs zum Ergötzen der Zuschauer, die leider nicht in üblicher Anzahl erschienen waren, eine köstliche Komödie abrollen lassen. Schon das liebevoll ausgestattete Bühnenbild (Helmut Utermann) löste spontanen Beifall aus.

Zwei Stunden lang hielt das Schicksal der Geschwister Engel, die mit allen Mitteln versuchten, eine größere Wohnung zu erhalten, das Publikum in Atem. Wesentlich dazu bei trugen die beiden „Engel", Waltraud Ewers als „Helene" und Olly Gröning als „Elvira", die eine als „pük" aufgemachte alte Jungfer, wie man sie besser nicht darstellen kann, die andere als naiv-neugierige alte Schachtel.

Volker Schwarz gab den polterigen Nachbarn Schlüter. Anja Hansen spielt seine Tochter als flottes junges Mädchen. Ihr Freund Klaus (Arno Vogel), der Neffe der „alten Schrullen", hatte es faustdick hinter den Ohren. Er kam bald hinter die Schliche der Tanten.

Werner Jungjohann als Hauswirt Babbel gab seiner Rolle die Natürlichkeit, die diese erforderte. Von Beifall begrüßt erschien dann Annemarie Dienesen, die Rappeltrine. Aufmachung, Bewegungen und Minenspiel sind erstklassig, wenn sie nur etwas deutlicher sprechen würde, dann wäre wirklich einhelliges Lob für ihr Spiel angebracht. Sie ist und bleibt eine der besten plattdeutschen Darstellerinnen unserer Stadt.

Ein Lob muß noch Heike Walter gesagt werden für die Fertigstellung von „Hoor- un Snutenwark". Auch die Technik (Konrad Hansen) klappte vorzüglich. Sieglinde Lehnhoff mußte noch sehr oft und manchmal auch hörbar zusagen. .

Der lange Beifall der Zuschauer mußte die fehlenden Blumensträuße ersetzen. Uwe Petersen sagte in seiner Begrüßung für den 27. Oktober eine Premiere, „Jonny Belinda" und für den 26. Januar 1985 „Madame Betty" an.

 Elfriede Kollmann

Schleswig-Holsteinische Landeszeitung 12.3.1984

 

 

De Rullen un de Speeler

Helene

Waltraud Evers

Elvira

Olly Gröning

Klaus, ehr Neffe

Arno Vogel

Herr Schlüter, een Nawer

Volker Schwarz

Karin, sien Dochder 

Anja Hansen

Alma Fritsche, een Nawersch

Annemarle Dienesen

Herr Babbel, Huuswirt 

Werner Jungjohann

Intrimmt hett dat

Horst Jacobs

Speeldeel inricht

Helmut Utermann

Hoor un Snutenwark

Heike Walter

Technik maakt

Konrad Hansen

Toseggen deit Sieglinde Lehnhoff